TALKING POINT auf IBI
Sicherheit für den VerbraucherAls ich zum ersten Mal (und sicherlich nicht zum letzten Mal) die Richtlinie über Sportboote (RCD) las, wurde ich von einem ganz besonderen Begriff im offiziellen Brüsseler Englisch zum Verbraucherschutz überrascht: "Vermutungswirkung der Konformität". Die Verbrauchersicherheit soll auf einer Vermutung beruhen? Ein großes Gesetz! Kaum zu glauben, nicht wahr? Bei genauerem Hinsehen schien dies sinnvoll zu sein.
Der RDD ist eine der ersten Richtlinien des "neuen Konzepts". Der "alte Ansatz" spiegelte die traditionelle Methode wieder, die aus vielen nationalen Behörden bestand, die ihre eigenen Rechtsvorschriften entwarfen und in sehr technische Details gingen. Durch unterschiedliche Vorschriften kam es innerhalb der EU zu Unklarheiten über die technischen Anforderungen. In Frankreich zugelassene Wasserfahrzeuge zum Beispiel galten im Vereinigten Königreich bei weitem nicht als sicher, was zu einem erheblichen Handelshemmnis führte. Dies sollte auf dem gemeinsamen EU-Markt nicht geschehen. Boote sollten die Grenzen ungehindert passieren können, und alle EU-Mitglieder sollten den Verbraucher auf gleicher Ebene schützen. So wurden die Richtlinien des neuen Konzepts entwickelt.
In diesen Richtlinien wurden zunächst (eher nicht-technisch!) "grundlegende Anforderungen" festgelegt, die ganz allgemein formuliert waren, wie zum Beispiel "ausreichende Stabilität". Für die technische Erfüllung der Anforderung wurden fortan anerkannte Normen herangezogen, von denen es zu diesem Zeitpunkt bereits eine Nummer gab. Da waren zum Beispiel die unterschiedlichen Klassenregeln der Klassifikationsgesellschaften und mehrere nationale und internationale Normen. Daher war es notwendig, sich zunächst auf eine Reihe von Normen zu einigen, die von allen EU-Mitgliedstaaten anerkannt werden. Der Auftrag zur Entwicklung der neuen Normen ging an die Internationale Normenorganisation (ISO) in Genf und an das Europäische Komitee für Normung (CEN) in Brüssel. Die so entwickelten Normen wurden als "harmonisierte Normen" (EN ISO) bezeichnet.
Wasserfahrzeuge, die nach EN ISO-Normen hergestellt werden, sollen in der Lage sein, die relevanten grundlegenden Anforderungen des RCD zu erfüllen oder "vermutet" werden. Der Hersteller stellt nur eine "Konformitätserklärung" als Nachweis aus.
Die Anwendung der harmonisierten oder anderen Normen bleibt jedoch freiwillig, und es steht dem Hersteller jederzeit frei, andere technische Regeln zur Einhaltung des RCD heranzuziehen. Und was jetzt?
Verwendet der Hersteller die EN ISO-Normen, kann er von der Konformitätsvermutung Gebrauch machen. Im Falle eines Rechtsstreits liegt die Beweislast für mögliche Produktmängel beim Käufer.
Verwendet der Hersteller jedoch andere Normen, liegt die Beweislast im Streitfall beim Hersteller. Ein signifikanter Unterschied!
Uli Heinemann